Pferde lernen
Wenn wir Pferde halten, dann bringen wir Ihnen ständig etwas bei. Nicht nur beim Reiten sind wir auf das Lernvermögen unserer Pferde angewiesen:
Wie soll sich das Pferd verhalten, wenn wir es führen?
Darf das Pferd dem Menschen auf die Füße treten bzw. es anrempeln?
Was soll ein Pferd machen, wenn es an eine “Leine” gebunden wird und plötzlich um den Menschen herumlaufen soll?
Da unsere Pferde sehr viel im Laufe ihres Lebens lernen, scheint es interessant mal ein wenig auf die Theorie zu schauen. Wie lernt ein Pferd? Wie funktioniert überhaupt das Lernen?
Was gehört alles zum “Lernen”?
Vorüberlegungen: Lerntheorien werden später “eher wissenschaftlich” noch erklärt. Zunächst scheint es interessant zu überlegen, was man sich selber unter Lernen vorstellt:
Zum “Lernen” gehört zunächst einmal ein Verhalten. Denn nur ein bestimmtes (äußerlich sichtbares) Verhalten nehmen wir an unseren Pferden wahr. Dann gehört noch etwas “Neues” (eine neue Situation, ein neuer Gegenstand) dazu. – Das Pferd hat gelernt mit einem bestimmten Verhalten auf einen neuen Gegenstand (auf ein “neues” Verhalten seines Ausbilders) zu reagieren. Wir sprechen vom Lernen!
Das Pferd muß also in irgendeiner Form aktivwerden,um zu lernen. Ein Pferd lernt beispielsweise, dass eine zunächst angsteinflössende Plane ungefährlich ist. Das Pferd lernt es, weil es dann doch nach einiger Zeit neugierig ist und sich der Plane nähert. Es beschnuppert vielleicht die Plane, kratzt vorsichtig mit dem Huf auf ihr herum……
Zum Lernen gehört also der Spieltrieb, die Neugierde, die Motivation von Seiten des Pferdes. Das Lernen lernenDamit unsere Pferde wirklich lernen können, müssen wir entsprechende Möglichkeiten schaffen. Hat das Pferd bisher erfahren, dass es immer nur bestraft wird, wenn es etwas versucht herauszubekommen – sprich etwas ausprobiert – dann wird es auch nicht mehr lernen. Es bleibt passiv – da es die Strafe fürchtet.
Wir müssen unseren Pferden den Raum lassen auch mal etwas “Falsches” auszuprobieren. Sobald es dann (zunächst vielleicht zufällig) das richtige Verhalten zeigt, wird es belohnt. Aber….
Wo ist denn nun die Grenze zwischen Bestrafung, negative und positive Belohnung / Bestärkung? Im Umgang dürfen wir nicht vergessen, dass Pferde um ein Vielfaches größer, schwerer und auch stärker sind als wir. Es ist einfach zu gefährlich, Pferden alles zu erlauben.
Loben
Motivation durch Belohnung
Hier scheiden sich häufig die Geister. In unzähligen Fachzeitschriften streiten sich die Experten. Belohnung durch Futter – Belohnung nur durch akustische Reize – Klickertraining etc.
Gehen Sie mal mit geöffneten Ohren durch einen Stall
Probieren Sie doch einfach mal Folgendes: Sie betreten eine Stallgasse am frühen Abend und stellen sich einfach mal ganz unbeobachtet in eine Ecke. Erleben Sie dann ganz bewusst einmal die Athmosphäre, die auf der Stallgasse herrscht.
“Jetzt bleib´doch endlich einmal stehen!”
“Kannst Du mir nicht mal gescheit den Huf geben!”
“Herrgott – jetzt bleib doch endlich mal still stehen!”
“Wie wäre es mal – wenn Du mal ´rum gehen würdest?”
Mehr oder weniger freundlich, werden Pferde angesprochen … Haben Sie eigentlich schon häufiger Pferdebesitzer erlebt, die ihre Pferde loben?
Loben fällt uns häufig schwer
Naja, ganz so schlimm ist es nun auch wieder nicht in Deutschlands Ställen … oder doch? Wenn wir ehrlich mit uns sind, dann fällt es doch schon auf, dass Loben viel schwieriger ist als Kritik. Gerade wenn man aus dem Stau noch schnell in den Stall kommt, ist man nicht gerade sehr ausgeglichen. In so einem Moment auch noch die Ruhe zu finden, das Pferd für richtiges Verhalten zu loben und zwar auch noch exakt im richtigen Moment fällt nicht immer leicht.
Dennoch….
Überlegen Sie in welcher Athmosphäre es Ihnen selber leichter fällt zu lernen bzw. zu arbeiten. Diese Athmosphäre sollten Sie auch versuchen für sich und Ihr Pferd zu schaffen.
Was bedeutet nun “loben”?
Wir brauchen selbstverständlich nicht jede Bewegung und jede Reaktion des Pferdes ununterbrochen zu loben. Das würde dem Pferd tatsächlich sogar lästig …
Motivation
Jede Reaktion im Zeitfenster von 2 – 3 Sekunden nach dem jeweiligen Verhalten gehört zur Bestärkung. Hier sollte mehr Augenmerk auf die positive Bestärkung gelegt werden.
Positive Verstärkung kann wie folgt aussehen:
– stimmliches Lob
– Futter / Futterbelohnung
– Ruhe(Pausen) anbieten
– Training beenden
– Streicheln etc.
Wichtig hierbei ist es, das Gefühl zu schulen, damit man sich in das jeweilige Pferd hineinversetzen kann. Es gilt zu erkennen, wie häufig Übungen wiederholt werden können, wie lange man nach einer Übung dem Pferd eine Pause gibt, wann man lobt etc. Timing ist wichtig.
Lernaufbau…. Vorgehen…
In der Verhaltensbiologie hat sich Folgendes herausgestellt: Zu Beginn einer Lernphase muss jeder Versuch (und sei er noch so klein) belohnt werden. Hat das Pferd einmal den Weg gefunden, was man von ihm will, belohnt man nur noch die deutlichen (richtigen) Versuche seitens des Pferdes die Aufgabe zu lösen. Ist die Aufgabe eigentlich schon gelernt, wird nur noch unregelmäßig belohnt – bzw. nur noch die wirklich tollen Ergebnisse (ggfs. um wieder neue Motivation aufkommen zu lassen – auch zwischendurch mal einen nicht ganz so gelungenen Versuch.)
Erlernte Hilflosigkeit
mit Strafe erziehen ………
Strafe funktioniert auch! (Leider…..)
Ein Pferd, das hauptsächlich mit Strafe ausgebildet wurde, kann ein nach außen hin recht erfolgreiches Pferd sein. Es zeigt sich “artig” und kann auch in seiner ausgebildeten Disziplin recht gute Leistungen bringen.
Ein Freizeitpferd, an das wir Anforderungen wie Zuverlässigkeit und Scheufreiheit etc. stellen, wird so ein Pferd aber bestimmt nicht. Das Pferd wird je nach Temperament mehr oder weniger heftig versuchen, dem Einflussbereich des Menschen zu entgehen. Keine gute Ausgangslage für ein Verlasspferd.
Ein Experiment …..
In Europa werden Experimente zur Erforschung der Verhaltensbiologie hauptsächlich an Mäusen und Ratten durchgeführt. In Amerika gibt es auch Experimente mit Menschen.
Dr. Alfonso Aguilar erzählte auf einem seiner Seminare über folgenden Versuch:
Man bildete zwei Studentengruppen.
Der ersten Gruppe gab man Aufgaben, die innerhalb von 15 Sekunden gut zu beantworten waren.
Die zweite Gruppe erhielt Fragen, die in 15 Sekunden nicht zu beantworten sind.
Alle Mitglieder der zweiten Gruppe erhielten bei jeder falschen Anwort einen kurzen Stromschlag (sprich eine unangenehme Bestrafung!)
Runde zwei:
Beide Gruppen erhielten nun identische Fragen. Gruppe eins konnte eine hohe Anzahl der Fragen beantworten. Gruppe zwei versuchte es überhaupt nicht mehr. Alle Studenten in der Gruppe zwei ware so “eingeschüchtert” und so in Erwartung der “Strafe”, die ja auf jeden Fall zu kommen schien, dass sie eher passiv das Experiment vorübergehen lies.
Erlernte Hilflosigkeit….
Der Begriff “erlernte Hilflosigkeit” wurde 1967 von den amerikanischen Psychologen Martin E. P. Seligman und Steven F. Maier geprägt.
» siehe Wikipedia erlernte Hilflosigkeit – Experiment mit Hunden
So drastisch das Beispiel vielleicht auf den ersten Blick wirkt, im Nachhinein, dient es aber sehr plastisch zur Erklärung. Ohne Motivation werden unsere Pferde bald keine Versuche mehr starten neues Verhalten bzw. neue Verhaltensmuster zu zeigen. Unsere Pferde, werden vorsichtshalber nur noch Verhaltensmuster zeigen, bei denen sie “sicher sind”, dass keine Strafe folgt.
Helfen wir unseren Pferden, damit sie positiv lernen können!
Wir wollen unseren Pferden keine Hilflosigkeit beibringen – (in der Verhaltensbiologie als submissives Verhalten bezeichnet …. übrigens bei Versuchen mit Mäusen wurde nachgewiesen, dass sogar körperliche Gesundheitsprobleme bis zum Tod dadurch ausgelöst werden können!) – sondern …
… wir wollen ihnen neue Lektionen beibringen, wir wollen ihnen die Angst vor dem Hänger fahren nehmen, wir wollen ihnen beibringen gelassen auf Schrecksituationen zu reagieren usw. usw.
Strafe
Eigentlich gibt es nur eine Situation, in der Strafe angebracht ist. –> Die Sicherheit des Menschen ist gefährdet:
Das Pferd wird aggressiv, droht, beißt oder tritt… dann gilt es…. sofort – auf der Stelle muss dem Pferd unmissverständlich klar gemacht werden, dass es seine Grenzen weit überschritten hat.
Hier nutzen wir die Strafe um ein Verhalten zu beenden! Lernen bedeutet aber nicht ein Verhalten zu beenden, sondern lernen soll ein “neues” Verhalten hervorbringen. Strafe beendet ein Verhalten!
Beenden wir alle Versuche des Pferdes, aufgrund unserer Hilfen ein Verhalten anzubieten, wird es mit der Zeit keinen Versuch mehr unternehmen zu reagieren.
Das Pferd stumpft ab – es resigniert – es wartet auf die scheinbar unausweichliche Strafe.
Motivation und ein Pferd mit Spaß an der Arbeit sieht anders aus!
Quelle: www.pferdeleben.de