Western – Reitlehre
Der Zweck jeder Ausbildung eines Pferdes muss es sein, seine Fähigkeiten durch systematische Gymnastizierung und Training zur vollen Entfaltung zu bringen, so daß es seine natürlichen Anlagen und Möglichkeiten ausnutzen und gehorsam den Signalen seines Reiters folgen kann.
Die Ausbildungsskala gilt sowohl für die Ausbildung des Jungpferdes, als auch für jede einzelne Trainingseinheit eines älteren Pferdes. Die Stufen bauen aufeinander auf, so dass auch im täglichen Training des Pferdes jede Stufe einzeln abgefragt werden sollte.
Vorraussetzung für das erfolgreiche Training unter dem Sattel ist eine Grunderziehung des Pferdes an der Hand: Die Bodenarbeit
Klassische Ausbildungsskala FN | Western Ausbildungsskala EWU | |
1. Takt | 1. Gleichmäßige, taktreine Gänge | |
2. Losgelassenheit | 2. Losgelassenheit/Entspannung | |
3. Anlehnung | 3. Nachgiebigkeit | |
4. Schwung | 4. Aktivierung der Hinterhand | |
5. Geraderichten | 5. Geraderichten | |
6. Versammlung | 6. Absolute Durchlässigkeit |
Alles gemeinsam ergibt die gewünschte natürliche Selbsthaltung des Western-Pferdes
1. Takt
Takt bedeutet, dass zeitliche Gleichmaß der Schritte, Tritte und Sprünge. Der Rhythmus der Bewegung muss auch in Wendungen, auf Zirkeln und Kreisen
gleichmäßig erhalten bleiben.
Jede Gangart hat ihren eigenen Takt: der Schritt ist ein Viertakt, der Trab ein Zweitakt und der Galopp ein Dreitakt. Der Takt der Bewegung kann verloren gehen, wenn das Pferd lahmt, sich festmacht oder noch nicht ausbalanciert geht. So verlieren besonders junge Pferde den Takt in Wendungen oder auf Kreisen. Unter Takt versteht man auch das zeitliche Gleichmaß, damit ist gemeint, das das Pferd innerhalb einer Gangart nicht unregelmäßig geht, also mal sehr langsam und dann wieder eilend. Natürlich kann der Reiter es schneller oder langsamer reiten, aber das muss dann durch die Einwirkung des Reiters bestimmt sein und sollte nicht vom Pferd ausgehen. Jeder kennt z.B. das Pleasure Pferd, das zu schnell zu langsam gemacht wurde und daher den Galopp bricht und in einen Viertakt fällt. Das sollte nicht passieren. Es ist also das erste Ziel des Trainings, dass das Pferd gleichmäßig und taktrein vorwärts geht.
2. Losgelassenheit / Entspannung
Kennzeichen der Losgelassenheit sind:
. Abschnauben
. Locker, schwingender Rücken
. Das Pferd eilt nicht, geht taktmäßig
. Das Pferd lässt den Kopf und Hals fallen und entspannt
. Der Schweif wird locker und ruhig getragen
. Das Pferd ist ruhig und aufmerksam
Losgelassenheit ist die Vorraussetzung für jede Ausbildung. Erst wenn sich das Pferd unter dem Reiter entspannt und seinen Hals fallen lässt, gibt es den Rücken frei und kann den Reiter tragen. Ein losgelassenes Pferd kann seine Muskeln anspannen und entspannen, seine Gelenke gleichmäßig beugen und dem Reiter seine ganze Kraft zu Verfügung stellen. Zur Losgelassenheit gehört nicht nur die körperliche Losgelassenheit, sondern genauso die psychische Entspannung des Pferdes. Nur ein losgelassenes Pferd lernt! Solange es sich festhält, wird es gegen den Reiter arbeiten. Außerdem schädigt sich ein losgelassenes Pferd nicht. Viele Gelenk-und Muskelprobleme sind die Folge von Verspannungen. Daher ist es extrem wichtig, jedes Pferd zu Beginn einer Trainingseinheit richtig zu lösen. Solange das Pferd Angst hat, sich widersetzt oder nicht verstanden hat, was es tun soll, wird es nicht wirklich losgelassen sein können. Daher wird ein Problempferd niemals losgelassen sein. Für viele Übungen ist eine gewisse Konzentration und auch Anspannung notwendig. Aber der Grat zwischen Anspannung und Verspannung ist sehr schmal. Ein guter Trainer wird seinem Pferd immer wieder Phasen der Entspannung anbieten, um seine Losgelassenheit wiederherzustellen.
3. Nachgiebigkeit
Unter Nachgiebigkeit verstehen wir das willige Nachgeben des Pferdes im Genick und Hals auf die Zügelhilfen des Reiters. Das Endziel der Ausbildung des Westerpferdes ist immer ein Pferd, das nur noch minimaler Zügelhilfen bedarf und am losen Zügel einhändig im Bit zu reiten ist. Eine permanente Anlehnung an die Reiterhand wie im klassischen Reiten kennen wir im Westernreiten nicht. Beim Neck Reining gibt es keine permanente Anlehnung. Das Pferd soll ja am Ende der Ausbildung einhändig am durchhängenden Zügel in einer ihm angemessenen Selbsthaltung gehen. Daher ist es für uns wesentlich, dass das Pferd das Gebiss willig annimmt und jedem Signal des Zügels ohne jeden Widerstand sofort folgt.
4. Aktivierung der Hinterhand
Das Westernpferd braucht eine aktiv unter den Schwerpunkt tretende Hinderhand, die es ihm ermöglicht auf kleinstem Raum zu wenden, aus dem Stand in hohem Tempo vorzuschnellen, sowie den Reiter in niedrigem Tempo auszubalancieren und zu tragen. Um tief unter seinen Schwerpunkt zu treten, muss es seinen Rücken aufwölben. Die Dynamik der Bewegung muss im Trab und besonders auch im Galopp gefördert werden, um die Kraft und den Schub aus der Hinterhand des Pferdes zu entwickeln. Das klassische Reiten setzt an diese Stelle den Schwung. Durch energisches Vorwärtsreiten wird die Schubkraft des Pferdes entwickelt, um sie später in Tragkraft der Hinterhand umwandeln zu können. Der Schwung wird in erster Linie im Trab entwickelt. Diese Gangart spielt für das Westernreiten keine so wesentliche Rolle. Auch wir wollen die Hinterhand aktivieren, sie ist der Motor der Bewegung. Aber wir erreichen das durch Lektionen, wie Zirkelarbeit, Seitengänge, Rückwärtsrichten, später Rollbacks usw. in denen das Pferd lernt, den Rücken aufzuwölben und Last auf die Hinterhand aufzunehmen. Wir arbeiten dazu vermehrt im Galopp.
5. Geraderichten
Das gerade gerichtete Pferd tritt mit der Hinterhand in die Spur der Vorderhand und zwar sowohl auf geraden, wie auf gebogenen Linien. Jedes Pferd wird mit einer natürlichen Schiefe geboren. Erst wenn das Pferd beide Hinterbeine gleichmäßig belastet, kann es seine volle Kraft entfalten und ist in Balance. Natürlich muss ein Pferd auf beiden Händen gleichmäßig durchlässig und kräftig sein um den Anforderungen des Western Reitens zu entsprechen. Dies gilt wohl gleichermaßen für alle Reitweisen der Welt.
6. absolute Durchlässigkeit
Was das Westernpferd braucht ist die Tragkraft der Hinterhand, einen elastischen, aufgewölbten Rücken, kombiniert mit einem entspannt und natürlich getragenen Kopf und Hals. Nur ein durch und durch gymnastiziertes und gehorsames Pferd, dass alle Reiterhilfen sofort umsetzt, wird in der Lage sein die geforderten Manöver des Westernreitsportes zu vollbringen. Auch als Freizeitpferd im Gelände wird das durchlässige Pferd gehorsam den Signalen seines Reiters folgen und ihn aufmerksam und gelassen tragen und sich dabei selbst ausbalancieren ohne der ständigen Einwirkung seines Reiters zu bedürfen.
Dieses Endziel der Ausbildung wird erreicht, wenn alle vorhergehenden Stufen erfolgreich absolviert worden sind. Reell nach der Ausbildungsskala ausgebildete Pferde werden lange gesund bleiben können und sind zuverlässige Partner für ihre Reiter.
Warum hier am Ende nicht das Wort“ Versammlung“ steht ? Wir haben lange darüber diskutiert. Natürlich versammeln wir unsere Pferde auch. Aber in der klassischen Reitlehre wird die Versammlung durch den Spannungsbogen zwischen treibenden Hilfen und der Anlehnung an das Gebiss hergestellt. Das Pferd wird vermehrt aufgerichtet. Das Genick ist der höchste Punkt, die Hinterhand abgesenkt und zur klassischen Versammlung gehört die Hankenbiegung – die Biegung im Sprunggelenk. Also ganz so sieht unser versammeltes Pferd nicht aus. Unser Endziel ist nicht die Levade, sondern ein jederzeit durchlässiges und gehorsames Pferd. Unser Endprodukt muss je nach Disziplin einen Stop, einen Rollback, einen Spin gehen können, ein Rind kontrollieren, einen Trail Parcours überwinden, oder fliegende Galopp-Wechsel gehen. Es muss sich also versammeln, wenn die Aktion es erfordert. Aber die Versammlung ist nicht unser Selbstzweck. Es soll außerdem jederzeit aufmerksam und willig den Hilfen des Reiters folgen. Das vollendet ausgebildete Westernpferd ist ein Pferd, das all das tut, was der Reiter von ihm verlangt.